Samstag, 9. Juli 2016

#IndieAutorChallenge Heute eine Story von Mila Summers


! Willkommen Mila Summers, die uns heute mit einer Geschichte beglückt. Nominiert wurde sie von Ava Innings und die 15 Wörter hatten es mal wieder in sich.
1. Himmelreich
2. Haarausfall
3. Weltschmerz
4. Samtpfote
5. Kirchturmuhr
6. Raketenstart
7. Schornsteinfeger
8. Mutprobe
9. Flohsamen
10. Fensterbank
11. Fallrohr
12. Gutschein
13. Mittagessen
14. Duschgel
15. Banane

»Kilian, Emily? Kommt ihr bitte runter? Das Mittagessen ist fertig.«
Nichts. Totenstille.
Was ist denn heute nur los? Für gewöhnlich kann es den beiden nach der Schule nicht schnell genug gehen. Meist fragen sie mich schon an der Tür, was es heute zu essen gibt. Heute nicht. Nein, heute ist irgendwie alles anders.
Ich decke den Tisch – eigentlich die Aufgabe der beiden –, während ich erneut nach ihnen rufe. Wieder nichts. Ob da oben alles in Ordnung ist?
Mein Blick fällt auf die Fensterbank, auf der sich Michel, unsere Samtpfote, gerade wenig sanft hat plumpsen lassen. Wie ist er denn da überhaupt hingekommen? Hat er sich etwa über das Fallrohr aus dem ersten Stock hinabgleiten lassen?
Allein die Vorstellung daran lässt mich schmunzeln. Michel, unser Kater, ist dem Garfield aus der gleichnamigen Serie ziemlich ähnlich: verfressen, dick. Nur das rötliche Fell fehlt ihm.
Die Vorstellung, wie das korpulente Tier sich geschmeidig wie eine Ballerina aus dem ersten Stockwerk abseilt, finde ich urkomisch. Am besten noch mit Cape und so einer Maske vor den Augen wie bei Zorro. Köstlich.
Die Glocke der Kirchturmuhr schlägt zur vollen Stunde. Was ist nur mit meinen Kindern los?
Ich stelle den Topf mit Nudeln und Sauce auf den Tisch. Der Einfachheit halber habe ich gleich alles vermischt. Spart weiteres Geschirr, das man abwaschen müsste. Seit meine Spülmaschine kaputt ist und das nötige Ersatzteil schon eine halbe Ewigkeit auf sich warten lässt, bin ich sehr praktisch veranlagt. Noch mehr als früher.
»Hey, da seid ihr ja endlich.« Wahnsinn. Meine Kinder haben es doch noch geschafft, mich mit ihrer Anwesenheit zu beehren.
Anstatt mir zu antworten, setzen sie sich stumm an den Tisch und fallen wie eine hungrige Horde über den Topf her.
»Mama, dein Duschgel ist alle.« Ist das Erste, was ich von meinen Kindern an diesem Tag höre.
»Das billige aus dem Supermarkt oder die Tube, für die ich Papas Gutschein in der teuren Parfümerie eingelöst habe?«, frage ich meine Tochter naiv, wobei mir ihre Antwort klar sein müsste.
»Eher lötzterös.« Schmatzend und keine Miene verziehend sitzt Emily da, während ihr Bruder breit zu grinsen beginnt.
»Was gibt es da denn zu lachen?« Fahre ich ungewohnt schnell aus der Haut. Aber seit mich der Schornsteinfeger rabiat aus meinem Mittagschläfchen gerissen hat, bin ich ungewöhnlich schlecht gelaunt.
Für mich gibt es Werte und Normen, die mein Zusammenleben auf dieser Erde, mit den Menschen und Tieren um mich herum, strukturieren. Wenn dabei einer aus der Reihe tanzt, dann gleicht das für mich meinem ganz persönlichen Weltschmerz.
Ich weiß ja, wie schrecklich es da draußen zugehen kann, aber hier in meinen vier Wänden hat ein anderer Wind zu wehen.
»Boa, Mama, wie uncool bist du denn heute drauf? Komm mal wieder runter.« Während ich überlege, ob eine Überdosis Flohsamen bei einem intakten Magen-Darm-Trakt womöglich zu Durchfall führen könnte, schreit Emily angewidert aus: »Igitt, was ist das denn? Das sieht aus wie eine zermatschte Banane. Hast du in die Sauce Bananen rein?«
»Quatsch, natürlich nicht.« Perplex starre ich auf den Teller meiner Tochter und überlege fieberhaft, ob ich die Portion Obst für Opa Winfried während des Kochens zurechtgeschnibbelt habe. Ohne Ergebnis.
»Mama, du müsstest übrigens später mal das Bad putzen. Ich hab momentan krassen Haarausfall. Bestimmt so ein komischer Vitaminmangel oder die Pubertät.«
Ganz ruhig. Sie meinen es gar nicht böse. Während mein Blut in Wallung gerät und das kleine Männchen in meinem Kopf auf den Countdown für den Raketenstart wartet, atme ich einmal tief durch. So ist es besser.
»Ach, Mama, könntest du mich später vielleicht zu Timmy fahren?«
»Kilian, ich bin kein Taxiunternehmen. Kannst du nicht einfach zu ihm laufen?«
»In seinen Stadtteil? Bist du wahnsinnig? Das kommt ja einer Mutprobe gleich. Timmy darf nicht mal allein in die Schule. Seine Mutter fährt ihn jeden Tag.«
»Echt?«, frage ich verblüfft. »Soweit ich mich erinnern kann, wohnt der doch nur ein paar Straßen weiter.«
»Glaub mir, Mama. Dazwischen liegen Welten.«
»Warum nicht gleich ein ganzes Himmelreich?«, frage ich sarkastisch und ernte Kilians anerkennendes Nicken.
Kinder!

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